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Die Kurze Lebensgeschichte Eines Scholaren

Autor: Sentenza


Kreativität ist ein Fluss, der sich nicht zwingen lässt...





„Wenig wusste ich von dieser Welt...“
- Mumu, orkischer Geisterbeschwörer. Unbegraben in der Ortschaft Tremor, 10 Tagesmärsche nordwestlich Urupas.


Märkteburg. Hochschule der Philosophie. Nachmittag.


So. Kein Bier,danke.

Für gewöhnlich werden doch die Lebensläufe unserer Adepten, dies vornehmlich in Form von Sagen und Heldenliedern, in einer geradezu lähmenden Regelmäßigkeit, in ganz und gar ungewöhnlichen, extraordinären, man möchte nicht sagen, übertriebenen, aufgeblasenen, zweifelslos aber doch geschwollenen, Worten von Taten, aus-ge-drückt.

Saugt zischend die Luft ein.

Dies mag, zum einen, schon an dem bloßen Format einer Heldensage liegen, die diese Schreibweise mehr oder minder fordert, um sich als solche überhaupt behaupten zu können, zum zweiten mag der Hungerlohn der meisten barsaivanischen Troubadoure und die daraus entstehende Abhängigkeit von ihren jeweiligen Mäzen, die meist auch gleichzeitig die Protagonisten ihrer Werke stellen, einen Anteil haben, zum dritten aber, an jener Wesenheit- die manche Scholare als bloß-astral, andere als auch-dämonisch, wieder andere, vielleicht die weiseren, als ander- und überweltlich umreißen, die meisten aber schlicht ignorant aus ihrem Tagesbewusstsein ausblenden- liegen, die wie viele vermuten, diese Adepten tatsächlich und letztendlich leitet- ihm mitunter diese feine Intuition gibt, Dinge instinktiv zu wissen, die er rational nicht wissen kann (thr. jamais vu‘barsaivus)- diese telephatische Verbundenheit mit bestimmten Charakteren ganz ähnlicher „Besessenheit“, mit denen er komplexeste und nichtigste Gedankengänge austauschen kann- diesen Willen, der oft abiträr seinem wahren (oder niederen?) Charakter entgegensteht- die Fähigkeit, aus dem Bewusstsein der Leute zu verschwinden, manchmal für Monate, nur um dann in einer Explosion von Ereignissen wieder aufzutauchen- dieses Zünglein an der Waage, das sie allzu oft auf wundersamste Weise vor dem Tode bewahrt. Nein danke, kein Bier.
Der Erzähler tupft sich die Schweißperlen von der Stirn und atmet mehrere Male tief durch. Fahrig huschen seine Augen den Worten voran. Er runzelt die Stirn. Der Papyrus knittert, als er fortfährt.
Denn eben dieses Wesen, diese Wesenheit, das sich personalisiert und individuell verhält, wir könnten also von einer Mehrzahl sprechen- besetzt nicht bloß einen astral-sensiblen Namensgeber für und ab einer gewissen Zeit. Nein, alle aufgezeichneten Auftritte dieses Phänomens kennen keine Informationen über den jeweiligen Namensgeber für eine Zeit, in der er nicht diese seltsamen Symptome dessen, was wir für die Dauer des Vortrags als Führung bezeichnen wollen, hatte. Diese können mehr oder weniger stark ausgeprägt sein, sind aber immer zu beobachten. Zudem sind auch stets Geburt und Tod extrem vage und mysteriös, wenn wir überhaupt Informationen über diese Zeitpunkte sammeln konnten. Einzig über den Höhepunkt des Lebens dieser Figuren, der meist ein überhelles, zeitlich kurzes, höchstens ein paar Jahre, praktisch ein Flackern in unserer Geschichte ist, können Aussagen mit historischer Glaubwürdigkeit getroffen werden. Wir sind tatsächlich im Begriff, das Wesen als eigentlichen Schöpfer des Adepten anzusehen, als Geleiter in, und aus dieser Welt. Das mag sie vielleicht erschrecken, verwundern, aber nichts gibt uns die Gewissheit, dass wir nicht auch von einer höheren Kraft, vielleicht nicht durch die arbiträr, persönlich handelnde Kraft eines Führers, aber durchaus durch eine, in Art und Qualität gleichwertige Kraft, geleitet werden.

Der Braumeister,der ihm davor wiederholt ein Bier angeboten hatte, umklammert jetzt den Krug und nimmt einen tiefen Schluck. Archetypisch rinnt es durch seinen prächtigen Zwergenbart.

Aber zurück zum Thema,der Heldensage.


Es macht ihr Schicksal außergewöhnlich, und meist tragisch, nicht selten, geradezu meistens sind es diese Art von Adepten, die unsere barsaivianische Geschichte voranbringen. Der einzige Zweck ihrer Existenz, anders gesagt, diese Adepten beschäftigen sich quasi nie mit Alltagsgeschäft. Sie pflügen nicht. Sie arbeiten nicht in einer, beispielsweise, Drogerie. Oder dem Fischmarkt. Sie ähh... säen, nicht. Sie sind meistens unterwegs in... epischeren... Verwicklungen.

Der unvorhergesehene Verlust des eloquenten Flusses überträgt sich auf die Atmosphäre des Raumes.

Einige ältere Teilnehmer an dem Seminar verlassen kopfschüttelnd den Raum. Das ist Gehirnwäsche, Schorschi. Der arme Mann ist wahrscheinlich selbst besessen.

Zwei Ströme aus existenzieller Angst und diesseitiger Wut verknoten sich in der scholarischen Magengrube.

„Ach ja?! Und Sie sind wahrscheinlich lediglich durch ein Altersstipendium überhaupt zugelassen worden! Ich habe ihre Aufsätze gelesen. Sie sind erbärm-“ Der Zwerg zu seiner Linken legt ihm beschwichtigend die schwielige Arbeiterhand auf die Schulter. Wissend ist sein Blick.Irritiert wendet sich der Scholar wieder ab.

So. Eben darum glaube ich... dass dieser Ruhm, dem sich unsere Forschungsobjekte also stets so vollherzig widmen... dass dieser im Interesse dieser höheren Wesenheiten ist. Ja. Vielleicht das eigentliche, letztendliche Interesse dieser Wesenheiten.

Es spielt nicht selten Streiche, um gewöhnliche Situationen wie Vorträge, Verhandlungen, Kneipenbesuche aufzuwühlen...

Fast scheint es mir als...

Der Blick des Scholaren huscht zunehmend frequentiv zu dem Zwerg, der neben ihm auf dem Podium nun sein zweites Getränk säuft. Er schöpft es aus einem nun vor ihm stehenden Fass. Der Schweiß tropft auf das Papyrus in zittrigen Händen.

In der Tat gibt es vor ihm, dem Es, praktisch kein Entrinnen... Es, umgibt uns. Es ist allgegenwärtig. Existieren wir, ohne dieses Bewusstsein, dass über uns ist, in uns, zwischen uns? Wie könnten wir es jemals wissen?

Und doch spüre ich es. Es ist ganz nah.

Manchmal, meine Herren... haben Worte affirmative Wirkung... das Ziel einer jeden Intention hat die Tendenz, sich zu manifestieren...

Die Unruhe des Referenten geht auf die Hörerschaft über.

Wer ist es?

Sein Blick huscht über das Publikum. Sie haben alle so tote Augen... so leblose, antriebslose, willenslose-so teilnahmslos... existiert ihr, wenn ich euch nicht anschaue? Existiert ihr, wenn ich die Tür zu mache? Ich will euch... mit dämonischen Krallen... Leben in die Bäuche kitzeln... ich will... mit meinem Schädel, durch die Schädeldecke der Welt stoßen...

Also, Herr Godendag, sind sie am Ende? Das war auf jeden Fall... ambitioniert.

Der Professor steht auf, und ein undefinierbarer Schmerz liegt in seinem Gesicht. Vielleicht ist es auch nur das Widerstreben zur Peinlichkeit, diesen schwierigen Studenten zu adressieren. Er versucht, sein schlecht sitzendes Jackett zuzuknöpfen. Aber vielleicht... sollten sich ihre Fragen, ihre Forschungen, für ihre Abschlussarbeit, mit diesseitigeren Themen befassen. Dinge, die mehr Fakten hergeben. Dinge, die... ic h verstehe schon ihren, jugendlichen Ehrgeiz...

Der Schweiß strömt mir in Strömen runter. Das ist kein Ehrgeiz sie ignorantes Schwein. Sie sind wahrscheinlich nicht mal real. Ich spüre ES. ICH spüre ES. ICH...es ist ganz nah.

... der sich natürlich auch nicht selten in einer gewissen Hybris gegenüber den Mitmenschen äußert Mit-Zwergen, Mit-Orks, Mit-Elfen... Mit-Trollen, Mit-Windlingen, ja auch Mit-T’Skrang. Mit-T’Skrang, Herr Goldberg. Ihre These beinhaltet ja auch den unterbewussten Wunsch zur absoluten, metaphysischen, natur-gesetzlichen Dominanz über ihre Mitmenschen, also praktisch die vollkommenste Überlegenheit, die einer ganzen Dimension... wir werden alle gesteuert und blabl- und, so weiter... und ihr Weg zu dieser Dominanz mit der Hypothese einer grenzüberschreitenden, affirmativen Macht des Wortes...



Ich sehe dich.





letzte Änderung 10-Oct-2018 11:46:32 CEST von 127.0.0.1.



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